Die Taufe zum Priester, König und Prophet ...

Beitrag von Dr. Peter Hundertmark auf: geistlich.de

König/in

Geschätzte 2,2 Milliarden Königinnen und Könige – und nirgends ein Untertan. Ebenso viele Prophet*innen. Priester*innen machen 100% in den christlichen Kirchen aus. Das kann so nicht gemeint sein, sagt der gesunde Menschenverstand. Doch, erwidert der Theologe und hat ein Problem. Denn beides stimmt: Das Christentum kennt nur einen Priester, König und Propheten – Jesus. Zugleich werden alle Getauften in der gleichen Weise gesalbt und nehmen so Teil am Auftrag Christi – Priester zu sein, König und Prophet.

Die Königsherrschaft Gottes ist da, wo ein friedvolles, gerechtes Miteinander der Menschen und der Natur gelingt. Dann leben die Menschen und die Schöpfung nach der Vision Gottes. Dieser Königsherrschaft sind die Christen in ihrem Königtum unbedingt verpflichtet. „Euch aber muss es zuerst um Gottes Königsherrschaft und seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben. (Mt 6, 33)

Bei den Königen Israels ging es um Macht, Herrschaft und Verantwortung. Doch beim Königtum der Getauften geht es zuerst um Verantwortung. Sie stehen mit Christus in der Verantwortung für ihre Welt – für ihr gesellschaftliches Umfeld, aber auch Klimawandel, gerechte Ressourcenverteilung, ein Leben in Würde, Gerechtigkeit und Freiheit für alle. Aber auch die „kleineren“ Dinge, sind Ausdruck dieses Königtums: Gefangene und Kranke besuchen, Hungernde nähren, Fremde aufnehmen… (Mt 25).

In der Königsherrschaft Gottes gibt es keine Untertanen. Aber die Christen sind Herr*in im eigenen Leben, auch im geistlichen Leben. Niemand hat über getaufte und gesalbte Christ*innen zu verfügen. Das wäre ein geistlicher Missbrauch, der die Grundlagen des Glaubens zerstört. 

Wichtig ist, dass Christen nicht als Einzelne zu Königen gesalbt werden. Ihr Königtum ist Anteil am geistlichen Königtum Christi. Erst dann wird es fruchtbar. Gemeinsam bewahren die Christen Kirche als Raum, in dem sie ihre Berufung leben, aber auch als Ort der Freiheit, der sie in ihrem Königtum über das eigene Leben stärkt und respektiert. Durch ihr gemeinsames Königtum leben Christen Kirche zudem als starkes Instrument, um ihrer Verantwortung für die Königsherrschaft nach zu kommen. 

 

Prophet/in

Propheten, sind das nicht die wort- und zeichengewaltigen Prediger des Alten Testamentes mit einem Sonderwissen über die Zukunft? „Ich bin doch kein Prophet“, sagen wir, um auszudrücken, dass wir etwas nicht wissen können. "Doch!“ sagt die Taufe, jede*r Christ*in, ist dazu mit Chrisam gesalbt und der- oder diejenige, die auf Gottes Wort hinhört und ausgerichtet ist auf Gott, der sich mitteilt. Modern würden wir sagen, ein Prophet ist ein Spiritueller, ein Gottsucher.

Der Christ, die Christin empfängt nicht für sich selbst. Sie geben Erfahrung mit Gottes Zuwendung, mit Suche und Horchen, mit Verlust und gefunden werden. Propheten reden von dem, was sie empfangen haben. Sie sagen es in eigenen Worten und mit den Möglichkeiten ihrer Zeit, aber sie sagen Worte Gottes für ihre Mitmenschen. Propheten sehen, verstehen und wissen aus ihrer Erfahrung mit Gott zu deuten, was um sie herum geschieht. Die „Zeichen der Zeit“ lesen, nennt es das letzte Konzil. Das macht sie nicht beliebt, aber ihr Prophetentum ist nicht beliebig. Es ist auf sie gelegt. Sie müssen reden. Sie müssen Missstände anprangern. Sie müssen den Finger in die Wunde legen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass der Einzelne dabei immer wieder irrt, liegt nahe 100%. Auch das Prophetentum der Christ*innen kann nur gemeinsam ausgeübt werden. Die Basis des gemeinsamen Prophetentums ist deshalb der offene Dialog, der Austausch auf Augenhöhe, das Glaubensgespräch unter Glaubensgeschwistern. Dieser Dialog umfasst dabei virtuell alle lebenden Christ*innen und greift über die Zeiten zurück bis in die Anfänge des Volkes Israel, der Apostel, der zweitausend Jahre Glaubensgespräch und Verkündigung in der Kirche. Was alle gemeinsam glauben, darin aber kann das Gottesvolk nicht irren. Der Glaubenssinn der Christ*innen bezieht sich auf theologische Überzeugungen und ihr prophetisches Wort in die Gesellschaft hinein. Wenn Christ*innen überall und immer dafür einstehen, dass jedes menschliche Leben, jede Frau und jeder Mann, Würde und Wert von Gott her hat, dann können sie darin nicht irren, auch wenn ihnen dieses prophetische Wort nicht selten übel angekreidet wird. Das Schicksal der Propheten ist keineswegs nur Vergangenheit.

 

Priester/in

Das Schicksal der Propheten ist das Schicksal Jesu. Er gab sein Leben für sein prophetisches Wort. Er ist Gabe und Geber zugleich. Er gibt sich selbst und behält nichts für sich zurück. Und genau so schafft er Versöhnung. Sein Leben ist Gottesdienst – ob er heilt, predigt, ausruht, Gastfreundschaft genießt, betet, als Zimmermann arbeitet, oder eine Hochzeit besucht. Alles in ihm ist ausgerichtet auf Gott und seinen Dienst an den Menschen und der Schöpfung.

Die Ausrichtung auf Gott und die Hingabe an die Menschen stehen im Zentrum des Priestertums der Christ*innen. Die Priester*innen des gemeinsamen Priestertums sind Mittler und Werkzeug zwischen Gott und seiner Sendung, die er für seine Welt gegeben hat: Befreiung, Vergebung und Versöhnung, Heil(ig)ung, Verbindung mit Gott und untereinander, Leben in Fülle für alle. Auf der einen Seite ist jede*r Hausgenosse  und Vertraute*r Gottes, mit freiem Zugang und familiärem Umgang (Eph 2,19). Auf der anderen Seite sind sie eine Gabe Gottes an die Welt, stehen sie in der Sendung und im Auftrag Christi. Ihr Priestertum leben sie als Hingabe an die Menschengeschwister und die geschundene Schöpfung und treten so in die Lebensgabe des einen Hohenpriesters Jesus Christus (Hebr 5,8-10) ein.

Vor Schmerz und Scheitern fürchten sie sich wie alle Menschen. Aber sie wissen um den Weg der Erlösung, den Weg der Passion. Die Priester*innen des gemeinsamen Priestertums leben mit Passion. Die Passion Gottes zu leben, ist ihr Priestertum. Sie leben priesterlich, ob sie „wachen oder schlafen“ (1 Thess 5,10), ob sie im Büro arbeiten oder auf den Feldern, ob sie essen, beten, lachen, Kinder erziehen, Sport treiben, pflegen, Besuche machen, spielen – ob sie religiöse Vokabeln benutzen oder nicht. Aber indem sie aus ihrer Taufe leben, leben sie Wandlung, geben sie ihren Körper für die leibliche Gegenwart Christi, sind sie Eucharistie. Und wieder ist es ihnen gemeinsam anvertraut. Nur gemeinsam sind sie Leib Christi. Deshalb schaffen die Christen Gemeinschaften, Vereine, Gemeinden, Orden… leben sie Freundschaft mit dem Herrn und untereinander.