Tagesrückblick

» verkoste deinen Tag mit Gott

 

„Nicht das Vielwissen sättigt die Seele, sondern das innere Verkosten der Dinge.“

Ignatius von Loyola

 

Manchmal stellt man sich am Abend die Frage: Was habe ich heute eigentlich den ganzen Tag gemacht? So recht erinnere ich mich gar nicht an einzelne Begebenheiten. Das meiste flog an mir vorbei. Auch hänge ich am Ende des Tages häufig an Ärgerlichem oder im Frust fest. Schnell fälle ich das Urteil: Es war nicht mein Tag! Endet Tag für Tag mit diesem Gedanken, komme ich mir bald wie im Hamsterrad vor oder ich empfinde mein Leben als fad und geschmacklos. Dazu kommt der Eindruck, von den Ereignissen, von den Erwartungen und Anforderungen anderer bestimmt zu werden. Nicht ich lebe, sondern ich werde gelebt. 

 

Deshalb war für Ignatius der Tagesrückblick so wichtig. Wer diese Gebetsform einübt, wird bald feststellen, dass dadurch eine Haltung der Zufriedenheit und Dankbarkeit wächst. Ich unterbreche den Ablauf des Vielerlei und verkoste einzelne Erlebnisse. Das bringt Geschmack ins Leben. Ich erkenne, was ich will und was ich nicht will. Ärgere ich mich noch am Abend über eine Sache, weitet sich mein Blick durch die Rückschau und löst meine Fixierung. Was mir noch auf dem Magen liegt, kann ich an Gott abgeben und entdecke gleichzeitig, dass es in meinem Tag auch viele schöne Momente gab, die ohne diesen bewussten Blick zurück wohl unter den Tisch gefallen wären. Ich stopfe nicht wie beim Einkauf alles in eine Tasche und stell sie dann in eine Ecke, sondern ich packe sie aus und staune, was da alles drin war. Im Zurückschauen bekommt so alles noch mal Platz – seinen Platz vor Gott.

 

Das Bewusstwerden bringt mich mit mir selbst in Kontakt, meine innere Klarheit und Entschiedenheit können wachsen. Aus dem neu gewonnenen Bewusstsein kann ich mein Leben aktiv gestalten. So wachsen Zufriedenheit und Glück. Das regelmäßige Üben dieses Gebets stärkt nicht nur mein Selbstvertrauen, sondern fördert auch die Achtsamkeit für Gottes Führung und Wirken in meinem Leben. Im Dank und in der Bitte binde ich meinen Tag und mich selbst zurück an Gott. Ich empfange mein Leben aus seiner Hand und lege es am Abend dorthin zurück. Mein Leben wird rund, weil es in Gott aufgehoben ist – das Schöne, das Gute, das Banale, das Erfüllende, das Schmerzliche und das Schiefe – alles wird in ihm vollendet.

 

Beachte den folgende Hinweis, bevor du startest:

Für einen Rückblick brauchst du ca. 10 Minuten. Suche einen ungestörten Ort. Es empfiehlt sich eine aufrechte Haltung einzunehmen. Legt man sich nämlich ins Bett, ist die Wahrscheinlichkeit einzuschlafen sehr groß. Richte dich auf Gott hin aus, zum Beispiel auf ein Kreuz.

 

Anleitung zum Tagesrückblick

» Ich richte mich aus, sammle mich und atme dreimal bewusst aus. 

 

» Ich öffne mich mit dem Kreuzzeichen für Gott:

   „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.“

 

» Ich bitte Gott, mich beim Rückblick zu leiten:

   „Barmherziger Vater, lass mich den vergangenen Tag
     in Deinem milden Licht anschauen.“

 

» Ich rufe mir Stunde um Stunde in Erinnerung. |*

 

» Ich lasse meinen Blick über den ausgebreiteten Tag schweifen.

    Was erfüllt mich mit Dankbarkeit? Für eine Sache danke ich Gott:

   „Herr, ich danke Dir für ...“

 

» Ich lasse ein zweites Mal meinen Blick schweifen.
    Was war verhakt, schwierig, schmerzhaft, unangenehm?
    Das vertraue ich der Barmherzigkeit Gottes an:

   „Herr, in Deine Barmherzigkeit lege ich das und das ...“

 

» Nun wende ich meinen Blick dem kommenden Tag zu.

   „Herr, segne, was kommt.“

 

» Mein Gestern, Heute und Morgen lege ich Gott ans Herz
   und bete: 
„Vater unser im Himmel ...“ 

 

» Zum Abschluss berge ich mich wie in einem Mantel
    mit dem Kreuzzeichen im dreieinigen und mich liebenden Gott:

   „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.“

 

 

*| Die Fähigkeit, sich den Tag Stunde um Stunde in Erinnerung zu rufen, braucht Zeit und Übung. Wenn tagsüber viel los und alles dicht gedrängt war, ist das Herz hart geworden und nur langsam steigen die Ereignisse, Begegnungen, Gefühle, Stimmungen und Tätigkeiten des Tages auf. Nimm dir die Zeit, dann wird dein Herz wieder weich. Man kann es vergleichen mit einem Einkauf: Eine dicht vollgestopfte Einkaufstasche ist schwer. Beim Auspacken nimmt man die Dinge vorsichtig heraus, lässt sie auf sich wirken und legt sie vor sich hin. So breite ich meinen Tag, Stunde um Stunde, in Gottes Gegenwart aus.